Wir schließen uns der Positionierung des Internationalen Auschwitz Komitees zur aktuellen politischen Debatte im Deutschen Bundestag an
Die Lagergemeinschaft Auschwitz – Freundeskreis der Auschwitzer ist entsetzt über dieses beschämende, geschichtsvergessene und skandalöse Vorgehen von CDU/CSU und FDP und stellt sich hinter die am selben Tag veröffentlichte Erklärung des Internationalen Auschwitz Komitees. Dort heißt es im Wortlaut:
„Ein fataler Irrtum“ – Holocaust-Überlebende besorgt über politische Entwicklung im Deutschen Bundestag
Zur heutigen Situation im Deutschen Bundestag – der Gedenkstunde für die Opfer des Holocaust und der anschließenden Debatte zur möglicherweise anstehenden gemeinsamen Abstimmung von CDU und AfD betonte in Berlin Christoph Heubner, der Exekutiv Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees:
„Überlebende des Holocaust sind in ihrem Blick auf Deutschland gerade nach dem heutigen Tag im Deutschen Bundestag verunsichert und traurig. Sie fragen sich, warum in Deutschland eine Partei ins Zentrum der politischen Entscheidungen rückt, aus deren Reihen immer wieder rechtsextreme, antidemokratische und antisemitische Schmähungen bekannt werden. Und sie fragen sich, warum der Vorsitzende einer großen konservativen Partei, die bisher die Lehren aus der Geschichte des Holocaust und die Würde und die Lebensleistung der Holocaust-Überlebenden geachtet hat, plötzlich die Zusammenarbeit mit einer Partei für akzeptabel hält, die die Lehren aus der Geschichte des Holocaust auf den Müllhaufen bugsieren und die Erinnerungen und das Engagement der Holocaust-Überlebenden aus dem gesellschaftlichen Leben in Deutschland hinausdrängen will.
Für die Überlebenden ist deshalb dieser Tag der Tag eines fatalen Irrtums: Schon einmal hat man in Deutschland geglaubt, Rechtsextreme einhegen, zähmen und benutzen zu können. Die Folgen sind bekannt.“
Die Lagergemeinschaft Auschwitz – Freundeskreis der Auschwitzer trauert um Gerhard Merz
Wir verlieren einen streitbaren Freund und scharfsinnigen Gesprächspartner, der mit uns zusammen Projekte wie die Studienfahrten nach Auschwitz fortgesetzt und auch neue Vorhaben vorangetrieben hat.
„Von Auschwitz nimmt man keinen Abschied”. Dieses Credo hat Gerhard schon früh im Laufe seines politischen und gesellschaftlichen Engagements verinnerlicht und auch im November 2019 betont, als er bei der Mitgliederversammlung der Lagergemeinschaft Auschwitz – Freundeskreis der Auschwitzer erstmals zum Vorsitzenden gewählt wurde. Er hat damit den Leitsatz „Über Auschwitz darf kein Gras wachsen“, den unser Vereinsgründer Hermann Reineck unserem Verein vorangestellt hat, konkretisiert.
Was dies im Einzelnen bedeutet, hat Gerhard in einem Interview (u.a. in unserem Mitteilungsblatt) erläutert: „Seit Beginn meines wachen politischen Lebens steht die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, der Judenverfolgung, dem Holocaust oder der Shoah mit im Zentrum meines Denkens und Handelns. In unterschiedlichen beruflichen und politischen Rollen habe ich versucht, einen Beitrag zur Bekämpfung der aktuellen Erscheinungsformen des Rechtsextremismus, Neofaschismus/Neonazismus, des Antisemitismus und Rassismus und für die Erinnerung an alle Opfer zu leisten.“
Seine Kandidatur für den Vorsitz der Lagergemeinschaft und des Freundeskreises der Auschwitzer hat Gerhard als Herausforderung verstanden, sich hier weiter zu engagieren und der bröckelnden Bereitschaft, den Hass und die Hetze sowie die Diskriminierung im Alltag zu bekämpfen, entgegenzuwirken. Als Mahnung zitierte er oft Primo Levis Diktum über die deutschen Menschheitsverbrechen, die in dem Namen des Vernichtungslagers Auschwitz ihren Ausdruck finden: „Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen: Darin liegt der Kern dessen, was wir zu sagen haben. Es kann wieder geschehen, überall.”
Unser Mitgefühl und unsere Anteilnahme gehören Gerhards Familie und allen, die ihm nahestanden.
Wir trauern um Éva Fahidi-Pusztai
Sie hat der Lagergemeinschaft Auschwitz – Freundeskreis der Auschwitzer e.V. (LGA) bei vielen Veranstaltungen zur Verfügung gestanden und ihre Geschichte erzählt.
Éva Fahidi wurde am 22. Oktober 1925 in Debrecen (Ungarn) geboren. Im Juni 1944 wurde sie mit ihrer Familie nach Auschwitz/Birkenau verschleppt. Nach der Ankunft wurde sie von ihrer Mutter und Schwester getrennt, die beide in der Gaskammer getötet wurden. Auch der Vater verstarb kurz darauf im Lager.
Éva wurde im August 1944 zur Zwangsarbeit in ein Außenlager des KZ Buchenwald (Münchmühle, bei Allendorf) transportiert. Dort musste sie in der Granatenproduktion für ein Unternehmen der IG Farben arbeiten.
Sie überlebte und kehrte 1945 nach Ungarn zurück. Fast ihre gesamte Großfamilie hat die Verfolgung und Vernichtungslager nicht überlebt.
Éva hat gerade junge Leute mit der Art, über ihr Leben zu erzählen, beeindruckt und berührt. Sie war Ehrenmitglied der LGA.
Wir werden ihr ein ehrendes Andenken bewahren.
Berichte zur Veranstaltung am 27.1.2023 in Gießen
Es war eine gemeinsame Veranstaltung der Arbeitsstelle Holocaustliteratur der JLU Gießen, der Chambré-Stiftung, des Evangelischen Dekanats Gießen, der Lagergemeinschaft Auschwitz – Freundeskreis der Auschwitzer e.V. und der Volkshochschule Gießen anlässlich des Holocaust-Gedenktages (Jahrestag der Befreiung von Auschwitz-Birkenau) 2023.
In Zeiten, in denen der russische Präsident Wladimir Putin mit Begriffen wie ,,Völkermord” und ,,Entnazifizierung” seinen Angriffskrieg in der Ukraine zu rechtfertigen versucht, den ukrainischen Präsidenten Zelensky, der jüdischer Abstammung ist, als „Sonderkommando“ bezeichnet und damit als willfährigen Vollziehungsgehilfen des NS-Holocaust verunglimpft und der so die Geschichte des Holocaust als Kriegsvorwand missbraucht, erhalten Bücher wie Filip Müllers Augenzeugenbericht „Sonderbehandlung“ eine neue und traurige Bedeutung. Filip Müller (1922-2013) überlebte die KZ-Haft und den Zwangsdienst im „Sonderkommando“ Auschwitz-Birkenau mehr als drei Jahre lang. 1979/80 veröffentlichte er auf deutsch seinen Bericht „Sonderbehandlung“. Zu seinem 100. Geburtstag hat seine Familie nach langem Zögern eine kommentierte Neuausgabe mit einem gemeinsamen Vorwort des Antisemitismus-Beauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, und des Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sowie einem Nachwort von Andreas Kilian ermöglicht. Das Buch ist bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft in Darmstadt erschienen.
Hier finden Sie den Bericht der Gießener Allgemeinen zur Veranstaltung sowie hier den Bericht des Gießener Anzeigers.
Präsentation Gedenkstättenfahrt
Berichte von unserer Studienfahrt 14. – 20.9.2022
Berichte und Fotos von Gerhard Merz:
5. Tag der Studienfahrt der Lagergemeinschaft Auschwitz-Freundeskreis der Auschwitzer: Wiedersehen mit Monica Goldwasser aus Krakau, die als Baby von ihren vor der Deportation in den Tod stehenden Eltern in fremde Hände gerettet wurde und über eine Station in einem Ursulininnen-Kloster zu katholischen Pflegeeltern gelangte. Erst kurz vor dem Tod ihrer geliebten und sie liebenden Pflegemutter erfuhr sie von ihrer jüdischen Abstammung und machte sich auf die Suche nach ihren Eltern, u.a. unterstützt von einer wiedergefundenen Tante. Ihre katholischen Eltern wurden posthum auf ihren Vorschlag von Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ ausgezeichnet. Ihr selbst wurde von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Bundesverdienstkreuz verliehen.
In den Gaskammern dauerte es bis zu 20 Minuten und es war ein qualvoller Tod. Manchmal möchte man nur weinen.
4. Tag der Studienfahrt der Lagergemeinschaft Auschwitz-Freundeskreis der Auschwitzer: Einige wenige Impressionen vom Besuch der Kunstausstellung im Staatlichen Museum Auschwitz Memorial / Muzeum Auschwitz (hier Bilder, die „nach Auschwitz“ entstanden), von einem Rundgang durch die Stadt Oswiecim und schließlich vom Jüdischen Friedhof.
Die Teilnehmer*innen dankten Frau Wlodarczyk mit langem Applaus für mehr als zwei intensive Stunden.
Wir trauern um Zofia Posmysz
Wir werden ihr ein ehrendes Andenken bewahren.
Online-Buchvorstellung „Sonderbehandlung“ am 7.3.2022
Ein beklemmendes, „schreckliches, aber schrecklich notwendiges Buch“ (Sascha Feuchert) über die „Sonderkommandos“, die in Auschwitz die grauenhafte Arbeit in den Gaskammern und Krematorien verrichten mussten. Mit Andreas Kilian, Autor des überaus einfühlsamen und kenntnisreichen Nachwortes. Kilian darf als einer der wenigen Kenner der Geschichte der „Sonderkommandos“ gelten, er kannte den Autor und Auschwitz-Überlebenden Filip Müller sehr gut persönlich. Andreas Kilian ist auch Mitglied im Vorstand der LGA. Mit dabei als Mitveranstalter und Gesprächspartner Prof. Dr. Sascha Feuchert, Leiter der Arbeitsstelle Holocaust-Literatur an der JLU Gießen, auch er ein profunder Kenner der Geschichte des Holocaust und vor allem der Erinnerungs- und Gedenkliteratur. Beide hoben den inhaltlich wie literarisch einzigartigen Charakter von Müllers Berichts hervor. Die Gießener Schauspielerin Irina Ries trug in beeindruckender Weise zwei Passagen aus dem Buch vor und Teresa Löwe, Lektorin bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt, erklärte die Bedeutung der Erinnerungsliteratur für den Verlag und sein Programm. Über 50 Personen verfolgten die Veranstaltung, die per Livestream aus der Universität übertragen wurde.

Andreas Kilian und Dr. Sascha Feuchert
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Worum geht es?
Filip Müller (1922 – 2013) durchlitt den Massenmord an den europäischen Juden wie kaum ein anderer. Wer KZ und Zwangsdienst im Sonderkommando Auschwitz-Birkenau mehr als drei Jahre er- und überlebt hat, der gehört zu den wichtigsten Zeugen des Grauens des Holocaust – und ist für sein Leben gezeichnet.
1979/80 veröffentlichte er auf deutsch seinen Zeugen-Bericht „Sonderbehandlung“. Zu seinem 100. Geburtstag 2022 macht seine Familie eine kommentierte Neuausgabe mit einem gemeinsamen Vorwort von Felix Klein und Josef Schuster und einem Nachwort von Andreas Kilian möglich.
Es diskutierten:
Andreas Kilian (Historiker, „Sonderkommando“-Experte und Autor des Nachworts)
Prof. Dr. Sascha Feuchert (Arbeitsstelle Holocaustliteratur an der JLU Gießen)
Es las:
Irina Ries (Freie Schauspielerin und Sängerin, Gießen)
Moderation:
Gerhard Merz (Vorsitzender Lagergemeinschaft Auschwitz – Freundeskreis der Auschwitzer e.V.)
Grußwort:
Teresa Löwe (Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt)
Wir schließen uns der Erklärung des Internationalen Auschwitz Komitees zur Invasion in der Ukraine an
Immer wieder zieht der russische Präsident Wladimir Putin bei der Begründung seines Überfalls auf die Ukraine die Begriffe „Völkermord“ und „Entnazifizierung“ heran. In diesem Zusammenhang betonte in Berlin das Internationale Auschwitz Komitee:
„Weltweit verfolgen Überlebende des Holocaust und ehemalige Häftlinge der deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager die Nachrichten zum Putinschen Überfall auf die Ukraine mit Entsetzen und großem Schmerz. Nie hätten sie gedacht, dass nach den Erfahrungen von Auschwitz und den Leiden des 2. Weltkrieges ein russischer Staatsmann Europa in die Finsternis eines Krieges zurücktreiben würde. Das Leid, das Putin und seine Helfershelfer über die Menschen in der Ukraine aber auch über russische Familien bringt, ist für sie kaum zu begreifen. Mit besonderer Empörung stellen die Überlebenden des Holocaust fest, dass Wladimir Putin zur Begründung seines Krieges immer wieder die Begriffe „Völkermord“ und „Entnazifizierung“ heranzieht. Sie empfinden dies als eine zynische und tückische Lüge, die nicht nur die Überlebenden des Holocaust sondern auch all die Menschen mißbraucht, die als sowjetische Kriegsgefangene in deutschen Konzentrationslagern gelitten oder als Soldaten der Roten Armee Auschwitz und andere Lager befreit haben.“
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