Online-Buchvorstellung „Sonderbehandlung“ am 7.3.2022

Ein beklemmendes, „schreckliches, aber schrecklich notwendiges Buch“ (Sascha Feuchert) über die „Sonderkommandos“, die in Auschwitz die grauenhafte Arbeit in den Gaskammern und Krematorien verrichten mussten. Mit Andreas Kilian, Autor des überaus einfühlsamen und kenntnisreichen Nachwortes. Kilian darf als einer der wenigen Kenner der Geschichte der „Sonderkommandos“ gelten, er kannte den Autor und Auschwitz-Überlebenden Filip Müller sehr gut persönlich. Andreas Kilian ist auch Mitglied im Vorstand der LGA. Mit dabei als Mitveranstalter und Gesprächspartner Prof. Dr. Sascha Feuchert, Leiter der Arbeitsstelle Holocaust-Literatur an der JLU Gießen, auch er ein profunder Kenner der Geschichte des Holocaust und vor allem der Erinnerungs- und Gedenkliteratur. Beide hoben den inhaltlich wie literarisch einzigartigen Charakter von Müllers Berichts hervor. Die Gießener Schauspielerin Irina Ries trug in beeindruckender Weise zwei Passagen aus dem Buch vor und Teresa Löwe, Lektorin bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt, erklärte die Bedeutung der Erinnerungsliteratur für den Verlag und sein Programm. Über 50 Personen verfolgten die Veranstaltung, die per Livestream aus der Universität übertragen wurde.

Andreas Kilian und Dr. Sascha Feuchert

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Worum geht es?

Filip Müller (1922 – 2013) durchlitt den Massenmord an den europäischen Juden wie kaum ein anderer. Wer KZ und Zwangsdienst im Sonderkommando Auschwitz-Birkenau mehr als drei Jahre er- und überlebt hat, der gehört zu den wichtigsten Zeugen des Grauens des Holocaust – und ist für sein Leben gezeichnet.

1979/80 veröffentlichte er auf deutsch seinen Zeugen-Bericht „Sonderbehandlung“. Zu seinem 100. Geburtstag 2022 macht seine Familie eine kommentierte Neuausgabe mit einem gemeinsamen Vorwort von Felix Klein und Josef Schuster und einem Nachwort von Andreas Kilian möglich.

Es diskutierten:
Andreas Kilian (Historiker, „Sonderkommando“-Experte und Autor des Nachworts)
Prof. Dr. Sascha Feuchert (Arbeitsstelle Holocaustliteratur an der JLU Gießen)

Es las:
Irina Ries (Freie Schauspielerin und Sängerin, Gießen)

Moderation:
Gerhard Merz (Vorsitzender Lagergemeinschaft Auschwitz – Freundeskreis der Auschwitzer e.V.)

Grußwort:
Teresa Löwe (Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt)

Wir schließen uns der Erklärung des Internationalen Auschwitz Komitees zur Invasion in der Ukraine an

Wir weisen darüber hinaus die antisemitischen Angriffe des russischen Präsidenten Putin gegen den ukrainischen Präsidenten Zelensky, der als „Nazi“ beschimpft und in die Nähe der „Sonderkommandos“ gerückt wird, die in Auschwitz zur Mitwirkung am Vernichtungsprozess gezwungen und anschließend selbst vernichtet wurden, als infam und lügnerisch und als Ausdruck einer verkommenen Geschichtserzählung zurück.
PRESSEMITTEILUNG Internationales Auschwitz Komitee:
Immer wieder zieht der russische Präsident Wladimir Putin bei der Begründung seines Überfalls auf die Ukraine die Begriffe „Völkermord“ und „Entnazifizierung“ heran. In diesem Zusammenhang betonte in Berlin das Internationale Auschwitz Komitee:

„Weltweit verfolgen Überlebende des Holocaust und ehemalige Häftlinge der deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager die Nachrichten zum Putinschen Überfall auf die Ukraine mit Entsetzen und großem Schmerz. Nie hätten sie gedacht, dass nach den Erfahrungen von Auschwitz und den Leiden des 2. Weltkrieges ein russischer Staatsmann Europa in die Finsternis eines Krieges zurücktreiben würde. Das Leid, das Putin und seine Helfershelfer über die Menschen in der Ukraine aber auch über russische Familien bringt, ist für sie kaum zu begreifen. Mit besonderer Empörung stellen die Überlebenden des Holocaust fest, dass Wladimir Putin zur Begründung seines Krieges immer wieder die Begriffe „Völkermord“ und „Entnazifizierung“ heranzieht. Sie empfinden dies als eine zynische und tückische Lüge, die nicht nur die Überlebenden des Holocaust sondern auch all die Menschen mißbraucht, die als sowjetische Kriegsgefangene in deutschen Konzentrationslagern gelitten oder als Soldaten der Roten Armee Auschwitz und andere Lager befreit haben.“